Venezianische Galeasse von 1571
Rekonstruktionsversuch von Uwe Wehde
Kurzer Abriss zur Geschichte
Als am 7. Okt. 1571 die Flotten der Türken und der Heiligen Liga in der Seeschlacht von Lepanto - vor dem Golf von Korinth, unterhalb der Stadt Lepanto (heute Naupaktos) - aufeinander trafen, waren ca. 500 Galeeren, Galeoten und Galeassen zur letzten großen Seeschlacht der Ruderschiffe versammelt.
Um dem Expansionsdruck der Osmanen im östlichen Mittelmeer und der Adria entgegen zu wirken, hatte Papst Pius V erneut das Bündnis der Heiligen Liga zwischen Spanien, dem heiligen Stuhl und Venedig festigen können. Der alte Vertrag wurde erneuert, Spanien und Venedig rüsteten ihre Flotten auf. Unter Mitwirkung Savoyens, Neapels, Genuas und des Johanniter Ordens (Malta) sammelte sich Ende September eine gewaltige Armada im Hafen, in der Bucht von Messina. Weit über 200 Schiffe kamen zusammen, um von hier aus nach Griechenland in See zu gehen. Große spanische Galeeren mit über 300 Ruderern, stark bewaffnet, neben kleineren schnellen Galeeren und Galeoten. Die größten Schiffe jedoch waren die Galeassen des Venezianischen Kontingents, mit über 50 m Länge und ca. 12 m Breite die mächtigsten Schiffe in der Flotte. Ihre Überlegenheit gegenüber dem Gegner ergab sich nicht allein durch ihre hochbordigen Rümpfe, die das Entern erschwerten, sondern auch durch ihr artilleristisches Schwergewicht. Sie führten bis zu 30 Geschütze, ein Vielfaches der Kanonen auf den Galeeren.
Venedig, die Stadtrepublik, stellte mit über 100 Schiffseinheiten den Löwenanteil dieser Flotte. Möglich war diese gewaltige wirtschaftliche und logistische Leistung nur, weil die Venezianer eine Werft besaßen, das 'Arsenal', die selbst nach heutigen Maßstäben einen industriellen Großbetrieb darstellte. Über 6000 Handwerker waren zeitweilig im Arsenal tätig, nicht gerechnet die Menschen, die mit der Rohstoffherstellung und mit Zubringerdiensten beschäftigt waren. Man fertigte Galeeren und Zubehör in Serie an. Fertige Rümpfe wurden aufgelegt, um sie bei Bedarf schnell ausrüsten zu können. Tauwerk, Segel, Riemen, Masten und Rahen, alles lag geordnet bereit - in kürzester Zeit hätte man so eine Flotte von Kriegsschiffen für den sofortigen Einsatz zur Verfügung.
Die venezianischen Galeassen, eine Entwicklung aus der 'Galea grosse', den dreimastigen schweren Handelsgaleeren Venedigs, waren eigentlich mehr Segel- als Ruderschiffe. Das Bestreben, mehr Geschütze an Bord unterbringen zu können, denn das Geschützwesen hatte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts erheblich verbessert, veranlasste die Venezianer Schiffe zu bauen, auf denen eben diese Kanonen untergebracht und bedient werden können. Die spezielle Seekriegstaktik der Galeeren machte es notwendig, dass diese großen Schiffe eben auch mit Riemen fortbewegt werden konnten.
Man sagt, dass die venezianischen Galeassen mit Hilfe von je zwei Galeeren in die vorderste Kampflinie geschleppt wurden, und dass eben diese Schiffe nicht zuletzt am Sieg der Liga über die Türken beteiligt waren.
Das Modell
Grundlage für den Bau des Modells war die Zeichnung im Buch 'Das Schiff' von Björn Landström. Das Modell sollte einen Maßstab von 1:50 haben, da eine zuvor gebaute Galeere den selben Maßstab hat und somit ein Größenvergleich möglich sein würde.
Die Zeichnung von Landström reichte nicht aus, um alle Fragen zu beantworten. Da es meines Wissens nach keine technisch verwertbaren Unterlagen gibt, war ich auf die Auswertung von altem Bildmaterial (1) angewiesen. Auch hier stellte sich wieder die Frage, inwieweit die Künstler authentische Bilder geschaffen haben oder dem Zeitgeschmack gefolgt sind. Bilder von Vasari, Bertelli und anderen Malern helfen aber, sich in die Proportionen der Schiffe hinein zu denken. Schwierig wird es mit den Details.
Kanonen, Anker, Laternen (2) sind meist übergroß auf den Bildern dargestellt, und es ist schwierig, die richtige Größe und Form zu finden. In meinem Fall half das Museo Storico Navale in Venedig. Der Kurator des Museums, Admiral Sferra (das Museum untersteht der italienischen Marine), leitete meine Anfrage an Dr. Guido Ercole weiter, einem ausgewiesenen Kenner der Materie und selbst auch Modellbauer, der viele meiner Fragen beantworten konnte. Ich bin beiden Herren sehr dankbar für ihre Hilfe.
Zeitgenössische Berichte sprechen von ca. 48 m Länge des Rumpfes zwischen den Loten, bei einer Breite von 9 m über die Außenhaut im Bereich der mittleren Spanten. Die Form der Spanten ist die eines Trapezes, also flacher Boden, stark gerundete Kimm und ausgestellte Auflanger. Der Schiffskörper selbst verjüngt sich nach den Enden etwas, um achtern in das Rundheck und vorn in den schärferen Bug überzugehen.
Für den Maßstab 1:50 ergibt sich daher eine Rumpflänge von 960 mm zwischen den Loten sowie eine Breite an den mittleren Spanten von 180 mm.
Um die Form des Rumpfes heraus arbeiten zu können, wurden 10 mm Lindenholzbrettchen in der passenden Größe aufeinander geleimt (8 Stück) und dann die äußeren Konturen heraus gearbeitet und zuletzt der Block mit dem Stecheisen auf 12 mm Wandstärke ausgehöhlt. Das macht zwar viel Späne, ergibt aber einen stabilen, verwindungsfreien Bootsgrundkörper, der nun mit Nussbaumleisten beplankt werden kann. Bevor das geschieht, werden Kiel, Sporn, Achtersteven und Decksbalken angebracht. Die Decksbalken haben eine sehr starke Bucht, das heißt eine Krümmung nach oben, auf deren Scheitelpunkt die Corsia (Laufbrücke) längs Deck angebracht ist. Zu beiden Seiten dieser Laufbrücke wurde auf die Decksbalken ein 1 mm Sperrholzträger aufgeleimt, auf diesem dann die Decksplanken verklebt.
Im nächsten Schritt wurden die Ausleger gezeichnet und angefertigt. Hierbei war zu beachten, dass durch die Rumpfform bedingt die Länge der Ausleger nach den Schiffsenden hin zunimmt. Das heißt, dass der Teil des Auslegers, der über die Bordwand hinaus ragt, nach den Rumpfenden zu länger ist und damit einen flacheren Winkel hat.
Um den Auslegerbalken mit den Dollen für die Riemen parallel zur Mitschiffslinie montieren zu können, wurde der Auslegerbalken provisorisch auf seiner Position fixiert und dann jeder Ausleger von der Mitte des Modells nach den Enden zu eingepasst und verleimt. Das Hauptdeck mit seinen Ruderbänken und deren Unterkonstruktion musste ebenfalls zeichnerisch erfasst werden. Der Abstand der Ruderbänke untereinander sowie die damit verbundene Position der Ruderdollen auf der Apostis (Auslegerbalken) sind wichtige Voraussetzungen für das Funktionieren des Riemenwerks. Sind diese Punkte geklärt, werden Unterkonstruktion der Ruderbänke, die Ruderbänke selbst und die Bodenbretter gefertigt und am Modell angebracht. Ebenso die Spritzwasserabdeckung unter den Auslegern.
Um die weiteren Arbeitsschritte folgerichtig ausführen zu können, wurden erst einmal Skizzen Maßstab 1:50 von den wichtigsten Bauteilen angefertigt (Schnitt mitschiffs, s. Bildnachweis). Hierbei stellte sich heraus, dass der erste Entwurf (Skizze 1), der sich an der Landström-Zeichnung orientiert, in der Bauhöhe zu niedrig war, da auf Höhe der Brustwehren kein Laufgang oberhalb der Ruderbänke konstruktiv unterzubringen war. Der zweite Entwurf (Skizze 2) (3) berücksichtigt dies in Bezug auf die Kopffreiheit der äußeren Ruderer (bei einer Körpergröße von ca. 1,60 bis 1,65 m).
Bei dem Geschützturm auf dem Vorschiff stellte sich die Frage, wie hoch sind die beiden Kanonendecks. Wenn man von der Anatomie der Bedienungsmannschaften ausgeht, kann es eine lichte Höhe von ca. 1,70 m minus Decksbalkenstärke gewesen sein. Bei einer Brustwehrhöhe von 85 - 90 cm für das obere Deck kommt man auf eine Gesamthöhe des Turms von ca. 4,50 m (9 cm beim Maßstab 1:50), wobei der von Landström gezeichnete Turm wesentlich niedriger ist.
Die hinteren Aufbauten stellen in ihrer Form keine Schwierigkeit in der Konstruktion dar. Es ist lediglich darauf zu achten, dass das leicht nach dem Vorschiff hin abfallende Zwischendeck an der Vorkante die gleiche Höhe vom Hauptdeck hat wie die beiden Laufgänge BB und StB, um damit einen stufenlosen Übergang auf dieser Decksebene zu gewährleisten.
Alle Aufbauten, sofern sie räumliche Strukturen haben, sind aus 1 mm Sperrholz gefertigt und dann mit Nussbaumleisten beklebt worden. Das gleiche gilt für die Decks, nur hier wurde Ahorn als Auflage verwendet.
Die Anfertigung der Riemen ist die letzte große Arbeit am Modell. Es werden ca. 60 Stück gebraucht (mit Ersatzriemen). Die Riemen setzen sich aus folgenden Teilen zusammen: Blatt und Schaft aus einem Stück, Griffstück (binnenbords), Handgriffleiste (für 5 Ruderer) und Griffendstück für den sechsten Ruderer. Das Material ist Birnbaum.
Über Zubehör und Ausrüstung wie Leitern, Grätings, Anker, Kanonen (4) usw. muss nicht viel gesagt werden - das kennt jeder Modellbauer, das ist Modellbauroutine!
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Anmerkungen:
(1)
Ölbilder, Stiche, Zeichnungen und Deckenmalereien als vergleichendes Bildmaterial aus den Museen 'Museo Storico Navale', 'Museo Correr' sowie der 'Academie del Arte' (alle Venedig)
(2)
Im Palazzo Donà (Venedig) befindet sich eine originale Laterne aus der 2.Hälfte des 16.Jht. Sie wird zur Beleuchtung des großen Saales benutzt und misst ca. 1,50 in der Höhe.
(3)
Nach einer Perspektiv-Skizze von Dr. Guido Ercole war es notwendig, die Konstruktion der seitlichen Laufgänge zu ändern.
(4)
Für die Bestimmung der Form der Geschützrohre war das Buch 'Ships & Guns', Hrsg. Carlo Beltrame u. Renato Gianni Ridella, Verlag Oxbow Books 2011, hilfreich.
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Das Rigg
Das Rigg der Galeasse besteht aus drei Masten sowie den dazugehörigen sogenannten Lateiner Segeln (Dreiecksegel) und den dafür notwendigen Ruten (Rahen).
Der Fock-, Groß- und Besanmast sind gebaut, das heißt aus mehreren Kanteln zusammengefügt und durch Tauwulinge gesichert. Gehalten werden die Masten von mehreren Wantenpaaren, die durch Taljen steif gesetzt werden. Diese Taljen sind mittels Knebel in die unteren Tauschlaufen der Wanten eingehängt und waren jederzeit für ein Segelmanöver losnehmbar.
Die Masttoppen sind eckig, um mit passendem Durchmesser die Scheibgatts (Rollen) für die Rahfallen aufzunehmen.
Die Rahen sind aus zwei oder drei Spieren mittels Tauwulingen zusammen gelascht. Sie erhalten somit eine höhere Elastizität gegenüber dem Winddruck auf das Segel. Doppelte Unter- und Oberbrassen sowie Schoten und Geitaue vervollständigen die Takelage.
Das Modell wird nur mit dem gerefften Großsegel gezeigt, in Anlehnung an die Zeichnung von Bertelli (M.S.N. Venedig).
Alles laufende Gut ist entweder am Mastfuß, an der Corsia (Laufbrücke) oder an der Reling der äußeren Laufgänge belegt.
Die Maße der Masten und Ruten habe ich dem Buch "Die Galeere" von Mondfeld entnommen.
Die Farbgebung
Nach historischen Berichten waren die Galeassen in der Farbe Schwarz. Nur das Schiff des Generalkapitäns und führenden Admirals war in Rot gestrichen. Da die Galeassen fast schmucklos waren und sich in ihrem Äußeren glichen, wurde durch individuelle Beflaggung der Masten angezeigt, welcher Kapitän und Befehlshaber sich an Bord befand.
Auf mehreren historischen Gemälden der Schlacht von Lepanto sind die Schiffsrümpfe Dunkelbraun bis Schwarz dargestellt. Wenn es auch Zweifel an der farblichen Wiedergabe der Bilder gibt, so halte ich es doch für wahrscheinlicher, das oben genannte Schwarz als Schwarzbraun zu bezeichnen und habe das Modell dementsprechend farblich gestaltet. Ein Firnis aus Ölfarbe, Mattlack und Terpentin, ähnlich einer Lasur, wurde auf die Nussbaumplanken gestrichen und färbt das Holz dunkel, wobei die Holzstruktur erhalten bleibt. Die gleiche Firnismischung, hoch verdünnt, wird für die Masten, Ruten und das Riemenwerk benutzt. Mehrmaliges Streichen der Teile erzielt den gewünschten Farbton, ohne dass die Bauteile farblich 'tot' wirken.
Quellen:
B. Landström: Das Schiff, Bertelsmann, Gütersloh 1973, 1976;
E. Paris: Die große Zeit der Galeeren und Galeassen,
Hrsg. Eich/Henriot/Langendorf, Hinstorff Verlag Rostock 1973;
W. Mondfeld: Die Galeere, Bielefeld 1972;
Jean de La Varende: La navigation sentimentale, Paris 1952;
Colin Thubron : Die Venezianer, Time-Life Amsterdam 1981 ;
Gerhard Rösch: Venedig, Kohlhammer 2000;
Carlo Beltrame u. Renato Gianni Ridella:
Ships & Guns, Oxbow Books 2011;
Angus Konstam: Renaissance War Galley,
Osprey Publishing 2002;
Guido Ercole: Le Galee Mediterranee,
Gruppo Modellistico Trentino di studio e ricerca storica 2008;
John F. Guilmartin Jr.: Galleons and Galleys,
Cassel & Co Wellington House, London 2002
Beplankung des Lindenholzkerns mit Nussbaumleisten
Aufbau achtern
Aufbau achtern in Vorbereitung
Fußboden in der Hütte
Frontseite Hütte
Achterschiff mit Aufbau
Geschützturm Vorschiff
Stückpforte für 50-Pfund Geschütz im Geschützturm
Rumpf mit Aufbauten
Steuerbord-Bodenbretter montiert
Vorschiff mit Rammsporn und Geschützturm
Ruderbänke an Backbord mit Apostis und Dollen für die Riemen
Kanonen für den Geschützturm
Hauptruder
Hütte mit Standartenmast und Laternenhalterung
Achterer Aufbau mit Hütte und Niedergängen
Geschützturm
Vorschiff mit Geschützturm
Geschütz auf den Auslegern
Lüftungsklappen für das Zwischendeck
Ruder mit Pinne
Unterbau der Verschanzung
Verkleidung der Verschanzung
Bau von Zubehör
Zubehör für Masten
Zubehör für Masten
Zubehör für Masten
Ansicht Achterschiff
Ansicht Vorschiff
Zubehör
Rahen, Klampen und Wanttaljen